Immobilienerwerb durch Zwangsversteigerung

Was ist eine Zwangsversteigerung?
Eine Zwangsversteigerung ist ein gerichtliches Vollstreckungsverfahren. In diesem kann der Meistbietende durch den so genannten Zuschlag ein Grundstück erwerben. Grundstück bedeutet in diesem Zusammenhang insbesondere Grund, Boden und damit fest verbundene Gebäude. Der Ersteher wird neuer Grundstückseigentümer.

Wann kommt es zu einer Zwangsversteigerung?
Zu einer Zwangsversteigerung kann es kommen, wenn ein Schuldner Gläubigerforderungen nicht mehr bedient. So können Gläubiger mit Vollstreckungstiteln eine Zwangsversteigerung beantragen. Der wohl häufigste Fall ist die Zwangsversteigerung aus einem im Grundbuch eingetragenen Recht, zum Beispiel aus einer vollstreckbaren Grundschuld.

Wo findet eine Zwangsversteigerung statt?
Zuständig für die Zwangsversteigerung ist das so genannte Vollstreckungsgericht. Dabei handelt es sich grundsätzlich um das Amtsgericht, in dessen Bezirk das betreffende Grundstück liegt. Die Zwangsversteigerung findet grundsätzlich in den Räumlichkeiten des Vollstreckungsgerichts statt.

Wie erfährt man von einem Zwangsversteigerungstermin?
Zwangsversteigerungstermine können über das Online-Justizportal des Bundes und der Länder unter www.zvg-portal.de gesucht werden. Als Suchkriterien können u. a. das Bundesland, ein Vollstreckungsgericht, die Art des Objektes (z.B. Reihenhaus, Doppelhaushälfte, Einfamilienhaus) und die Lage des Objektes (Straße, Postleitzahl, Ort) eingegeben werden. Über Links im Suchergebnis gelangt man zu weiteren Informationen, wie u. a. dem Wertgutachten.

Wie läuft das Zwangsversteigerungsverfahren ab?
Zunächst beantragt ein Gläubiger die Anordnung der Zwangsversteigerung beim Vollstreckungsgericht. Bei Vorliegen der Voraussetzungen ordnet das Vollstreckungsgericht die Zwangsversteigerung auf den Gläubigerantrag hin an. Im nächsten Schritt ermittelt das Vollstreckungsgericht den Wert des Grundstücks und setzt diesen fest. Für die Wertbestimmung kann das Vollstreckungsgericht ein Wertgutachten in Auftrag geben. Im nächsten Schritt bestimmt das Vollstreckungsgericht einen Versteigerungstermin und fordert die Beteiligten auf, ihre Rechte anzumelden. Darauf folgt der eigentliche Versteigerungstermin. Der Versteigerungstermin wird von einem Rechtspfleger geleitet. Der Rechtspfleger informiert zunächst u. a. über den wesentlichen Grundbuchinhalt, die Gläubiger mit ihren Ansprüchen, den Verkehrswert und das so genannte geringste Gebot. Danach folgt die eigentliche Versteigerung mit der Aufforderung zur Abgabe von Geboten. Die tatsächliche Bietzeit beträgt mindestens 30 Minuten. Kommt es im Versteigerungstermin zu einem Zuschlag, wird für die Verteilung des Erlöses ein weiterer Termin, der so genannte Verteilungstermin, anberaumt. Kommt es zu keinem Zuschlag oder wird dieser versagt, wird grundsätzlich ein zweiter Versteigerungstermin anberaumt.

Was ist ein geringstes Gebot?
Das so genannte geringste Gebot bestimmt das Mindestgebot. Die Höhe des geringsten Gebots setzt sich aus zwei Parametern zusammen. Zum einen werden die Rechte wertmäßig berücksichtigt, die dem Recht des Gläubigers, der die Zwangsvollstreckung betreibt, vorgehen. Zum anderen berücksichtigt das geringste Gebot die Kosten des Verfahrens. Aus diesen beiden Werten wird das geringste Gebot ermittelt. Im Versteigerungstermin werden Gebote, die unter dem geringsten Gebot liegen, nicht zugelassen. Der Verkehrswert hat mit dem geringsten Gebot nichts zu tun.

Welche Rolle spielt der Verkehrswert bei der Versteigerung?
Der Verkehrswert setzt zwei „Hürden“ im ersten Versteigerungstermin. Bleibt das Meistgebot unter 50 Prozent des Verkehrswertes darf kein Zuschlag erteilt werden. Bleibt das Meistgebot unter 70 Prozent des Verkehrswertes, kann ein Gläubiger die Versagung des Zuschlages beantragen. Diese „Hürden“ werden im zweiten Versteigerungstermin aufgehoben. Im zweiten Versteigerungstermin ist es daher theoretisch möglich, ein Grundstück für einen Betrag von weniger als 50 Prozent des Verkehrswertes zu ersteigern.

Was muss ein Bieter zum Versteigerungstermin mitbringen?
Um aktiv mitbieten zu können, muss ein Bieter zum Versteigerungstermin ein gültiges Ausweisdokument (Personalausweis oder Reisepass) und eine Sicherheitsleistung in Höhe von grundsätzlich zehn Prozent des Verkehrswertes mitbringen. Wird der Bieter vertreten, muss der Vertreter zudem eine öffentlich beglaubigte Bietungsvollmacht vorweisen.

Welche Sicherheitsleistung wird akzeptiert?
Eine Sicherheitsleistung durch Barzahlung ist nicht möglich. Die Sicherheitsleistung kann durch Überweisung auf ein Konto der Gerichtskasse erbracht werden. Die Überweisung auf ein Konto der Gerichtskasse muss vor dem Versteigerungstermin erfolgt sein und ist im Versteigerungstermin nachzuweisen. Als Sicherheitsleistung geeignet sind ferner Bundesbankschecks und Verrechnungschecks, die frühestens am dritten Werktag vor dem Versteigerungstermin ausgestellt worden sind. Unter bestimmten Voraussetzungen sind auch Bankbürgschaften als Sicherheitsleistung geeignet.

Wann wird der Ersteher Grundstückseigentümer?
Mit dem Zuschlag wird der Ersteher Grundstückseigentümer. Das Eigentum geht also nicht erst mit der Eintragung des Erstehers im Grundbuch über, sondern bereits mit dem Zuschlag. Mit dem Zuschlag trägt der Ersteher Nutzen, Lasten und die Gefahr für das ersteigerte Grundstück.

Ist der Zuschlag unangreifbar?
Nein. Gegen den Zuschlag ist das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft. Die Beschwerde kann zur Aufhebung des Zuschlags führen.

Was passiert, wenn das Objekt vermietet / verpachtet ist?
Der Ersteher tritt in bestehende Miet- und Pachtverträge ein. Der Ersteher hat gegenüber Mietern und Pächtern in zeitlicher Hinsicht ein Sonderkündigungsrecht und kann das Miet- bzw. Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. Die Kündigung ist jedoch ausgeschlossen, wenn sie nicht für den ersten Termin erfolgt, für den sie zulässig ist. Das bedeutet, dass der Ersteher das zeitliche Sonderkündigungsrecht nur für den ersten nach dem Zuschlag möglichen Kündigungstermin hat. Dieses Sonderkündigungsrecht berechtigt zunächst nur zeitlich zur Kündigung. Es können je nach Einzelfall weitere Kündigungsvoraussetzungen hinzukommen.

Muss der Erwerber Gläubigerrechte übernehmen?
Bei dieser Frage geht es um die im Grundbuch eingetragene Gläubigerrechte, wie beispielsweise Grundschulden. Der Erwerber muss im Grundbuch eingetragene Rechte übernehmen, wenn die Zwangsversteigerung aus einem nachrangigen Recht betrieben wird und die Gläubiger vorrangiger Rechte nicht an der Zwangsversteigerung beteiligt sind. Daher ist es für einen Bieter wichtig zu wissen, aus welchem Recht die Zwangsversteigerung betrieben wird und ob im Grundbuch eingetragene Rechte übernommen werden müssen.

Welche weiteren Risiken bestehen bei einem Immobilienerwerb durch Zwangsversteigerung?
Gewährleistungsansprüche sind im Zwangsversteigerungsverfahren ausgeschlossen. Eine vorherige Innenbesichtigung des Versteigerungsobjektes ist oftmals nicht möglich.

Welche weiteren Vorbereitungen können Bieter treffen?
Vor dem tatsächlichen Zwangsversteigerungstermin sollten Bieter die Finanzierung klären. Bei der Finanzierung sind neben dem vom Bieter geplanten Meistgebot auch Erwerbsnebenkosten (insbesondere Grunderwerbsteuer, Zuschlaggebühr und Grundbuchkosten) zu berücksichtigen. Zudem ist es ratsam, zunächst einen Zwangsversteigerungstermin als Gast zu besuchen, um den Ablauf der Zwangsversteigerung kennenzulernen.

Christina Herbrand ist Rechtsanwältin und Notarin in Bocholt und Inhaberin der KANZLEI HERBRAND.
Über die MÜ12 Verlag GmbH erscheint ihre Kolumne Law & Lipstick. Hier schreibt sie regelmäßig über aktuelle wirtschaftsrechtliche Themen.