Immobilienerwerb durch Zwangsversteigerung

Was ist eine Zwangsversteigerung?
Eine Zwangsversteigerung ist ein gerichtliches Vollstreckungsverfahren. In diesem kann der Meistbietende durch den so genannten Zuschlag ein Grundstück erwerben. Grundstück bedeutet in diesem Zusammenhang insbesondere Grund, Boden und damit fest verbundene Gebäude. Der Ersteher wird neuer Grundstückseigentümer.

Wann kommt es zu einer Zwangsversteigerung?
Zu einer Zwangsversteigerung kann es kommen, wenn ein Schuldner Gläubigerforderungen nicht mehr bedient. So können Gläubiger mit Vollstreckungstiteln eine Zwangsversteigerung beantragen. Der wohl häufigste Fall ist die Zwangsversteigerung aus einem im Grundbuch eingetragenen Recht, zum Beispiel aus einer vollstreckbaren Grundschuld.

Wo findet eine Zwangsversteigerung statt?
Zuständig für die Zwangsversteigerung ist das so genannte Vollstreckungsgericht. Dabei handelt es sich grundsätzlich um das Amtsgericht, in dessen Bezirk das betreffende Grundstück liegt. Die Zwangsversteigerung findet grundsätzlich in den Räumlichkeiten des Vollstreckungsgerichts statt.

Wie erfährt man von einem Zwangsversteigerungstermin?
Zwangsversteigerungstermine können über das Online-Justizportal des Bundes und der Länder unter www.zvg-portal.de gesucht werden. Als Suchkriterien können u. a. das Bundesland, ein Vollstreckungsgericht, die Art des Objektes (z.B. Reihenhaus, Doppelhaushälfte, Einfamilienhaus) und die Lage des Objektes (Straße, Postleitzahl, Ort) eingegeben werden. Über Links im Suchergebnis gelangt man zu weiteren Informationen, wie u. a. dem Wertgutachten.

Wie läuft das Zwangsversteigerungsverfahren ab?
Zunächst beantragt ein Gläubiger die Anordnung der Zwangsversteigerung beim Vollstreckungsgericht. Bei Vorliegen der Voraussetzungen ordnet das Vollstreckungsgericht die Zwangsversteigerung auf den Gläubigerantrag hin an. Im nächsten Schritt ermittelt das Vollstreckungsgericht den Wert des Grundstücks und setzt diesen fest. Für die Wertbestimmung kann das Vollstreckungsgericht ein Wertgutachten in Auftrag geben. Im nächsten Schritt bestimmt das Vollstreckungsgericht einen Versteigerungstermin und fordert die Beteiligten auf, ihre Rechte anzumelden. Darauf folgt der eigentliche Versteigerungstermin. Der Versteigerungstermin wird von einem Rechtspfleger geleitet. Der Rechtspfleger informiert zunächst u. a. über den wesentlichen Grundbuchinhalt, die Gläubiger mit ihren Ansprüchen, den Verkehrswert und das so genannte geringste Gebot. Danach folgt die eigentliche Versteigerung mit der Aufforderung zur Abgabe von Geboten. Die tatsächliche Bietzeit beträgt mindestens 30 Minuten. Kommt es im Versteigerungstermin zu einem Zuschlag, wird für die Verteilung des Erlöses ein weiterer Termin, der so genannte Verteilungstermin, anberaumt. Kommt es zu keinem Zuschlag oder wird dieser versagt, wird grundsätzlich ein zweiter Versteigerungstermin anberaumt.

Was ist ein geringstes Gebot?
Das so genannte geringste Gebot bestimmt das Mindestgebot. Die Höhe des geringsten Gebots setzt sich aus zwei Parametern zusammen. Zum einen werden die Rechte wertmäßig berücksichtigt, die dem Recht des Gläubigers, der die Zwangsvollstreckung betreibt, vorgehen. Zum anderen berücksichtigt das geringste Gebot die Kosten des Verfahrens. Aus diesen beiden Werten wird das geringste Gebot ermittelt. Im Versteigerungstermin werden Gebote, die unter dem geringsten Gebot liegen, nicht zugelassen. Der Verkehrswert hat mit dem geringsten Gebot nichts zu tun.

Welche Rolle spielt der Verkehrswert bei der Versteigerung?
Der Verkehrswert setzt zwei „Hürden“ im ersten Versteigerungstermin. Bleibt das Meistgebot unter 50 Prozent des Verkehrswertes darf kein Zuschlag erteilt werden. Bleibt das Meistgebot unter 70 Prozent des Verkehrswertes, kann ein Gläubiger die Versagung des Zuschlages beantragen. Diese „Hürden“ werden im zweiten Versteigerungstermin aufgehoben. Im zweiten Versteigerungstermin ist es daher theoretisch möglich, ein Grundstück für einen Betrag von weniger als 50 Prozent des Verkehrswertes zu ersteigern.

Was muss ein Bieter zum Versteigerungstermin mitbringen?
Um aktiv mitbieten zu können, muss ein Bieter zum Versteigerungstermin ein gültiges Ausweisdokument (Personalausweis oder Reisepass) und eine Sicherheitsleistung in Höhe von grundsätzlich zehn Prozent des Verkehrswertes mitbringen. Wird der Bieter vertreten, muss der Vertreter zudem eine öffentlich beglaubigte Bietungsvollmacht vorweisen.

Welche Sicherheitsleistung wird akzeptiert?
Eine Sicherheitsleistung durch Barzahlung ist nicht möglich. Die Sicherheitsleistung kann durch Überweisung auf ein Konto der Gerichtskasse erbracht werden. Die Überweisung auf ein Konto der Gerichtskasse muss vor dem Versteigerungstermin erfolgt sein und ist im Versteigerungstermin nachzuweisen. Als Sicherheitsleistung geeignet sind ferner Bundesbankschecks und Verrechnungschecks, die frühestens am dritten Werktag vor dem Versteigerungstermin ausgestellt worden sind. Unter bestimmten Voraussetzungen sind auch Bankbürgschaften als Sicherheitsleistung geeignet.

Wann wird der Ersteher Grundstückseigentümer?
Mit dem Zuschlag wird der Ersteher Grundstückseigentümer. Das Eigentum geht also nicht erst mit der Eintragung des Erstehers im Grundbuch über, sondern bereits mit dem Zuschlag. Mit dem Zuschlag trägt der Ersteher Nutzen, Lasten und die Gefahr für das ersteigerte Grundstück.

Ist der Zuschlag unangreifbar?
Nein. Gegen den Zuschlag ist das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft. Die Beschwerde kann zur Aufhebung des Zuschlags führen.

Was passiert, wenn das Objekt vermietet / verpachtet ist?
Der Ersteher tritt in bestehende Miet- und Pachtverträge ein. Der Ersteher hat gegenüber Mietern und Pächtern in zeitlicher Hinsicht ein Sonderkündigungsrecht und kann das Miet- bzw. Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. Die Kündigung ist jedoch ausgeschlossen, wenn sie nicht für den ersten Termin erfolgt, für den sie zulässig ist. Das bedeutet, dass der Ersteher das zeitliche Sonderkündigungsrecht nur für den ersten nach dem Zuschlag möglichen Kündigungstermin hat. Dieses Sonderkündigungsrecht berechtigt zunächst nur zeitlich zur Kündigung. Es können je nach Einzelfall weitere Kündigungsvoraussetzungen hinzukommen.

Muss der Erwerber Gläubigerrechte übernehmen?
Bei dieser Frage geht es um die im Grundbuch eingetragene Gläubigerrechte, wie beispielsweise Grundschulden. Der Erwerber muss im Grundbuch eingetragene Rechte übernehmen, wenn die Zwangsversteigerung aus einem nachrangigen Recht betrieben wird und die Gläubiger vorrangiger Rechte nicht an der Zwangsversteigerung beteiligt sind. Daher ist es für einen Bieter wichtig zu wissen, aus welchem Recht die Zwangsversteigerung betrieben wird und ob im Grundbuch eingetragene Rechte übernommen werden müssen.

Welche weiteren Risiken bestehen bei einem Immobilienerwerb durch Zwangsversteigerung?
Gewährleistungsansprüche sind im Zwangsversteigerungsverfahren ausgeschlossen. Eine vorherige Innenbesichtigung des Versteigerungsobjektes ist oftmals nicht möglich.

Welche weiteren Vorbereitungen können Bieter treffen?
Vor dem tatsächlichen Zwangsversteigerungstermin sollten Bieter die Finanzierung klären. Bei der Finanzierung sind neben dem vom Bieter geplanten Meistgebot auch Erwerbsnebenkosten (insbesondere Grunderwerbsteuer, Zuschlaggebühr und Grundbuchkosten) zu berücksichtigen. Zudem ist es ratsam, zunächst einen Zwangsversteigerungstermin als Gast zu besuchen, um den Ablauf der Zwangsversteigerung kennenzulernen.

Christina Herbrand ist Rechtsanwältin und Notarin in Bocholt und Inhaberin der KANZLEI HERBRAND.
Über die MÜ12 Verlag GmbH erscheint ihre Kolumne Law & Lipstick. Hier schreibt sie regelmäßig über aktuelle wirtschaftsrechtliche Themen.

Die Vorsorgevollmacht des Unternehmers

Worum geht es bei einer Vorsorgevollmacht des Unternehmers?
Bei der Vorsorgevollmacht des Unternehmers geht es um unternehmerisches Risikomanagement. Die Vorsorgevollmacht des Unternehmers soll die Handlungsfähigkeit eines Unternehmens für den Fall der Handlungsunfähigkeit des Unternehmers sicherstellen.

Wann ist ein Unternehmer handlungsunfähig?
Hier geht es vor allem um Fälle wie plötzliche Krankheit, Unfall oder Demenz. Angenommen ein Einzelunternehmer erleidet einen Verkehrsunfall und fällt ins Koma: Wer trifft nun Unternehmensentscheidungen? Diese beginnen bei den Entscheidungen des Tagesgeschäfts,
betreffen die Frage, wer für den Unternehmer in der Gesellschafterversammlung abstimmt und enden mit der Frage, was aus dem Unternehmen werden soll, falls mit einer Rückkehr des Unternehmers nicht mehr zu rechnen ist.

Was passiert im Krisenfall ohne Vorsorgevollmacht?
Wird ein Unternehmer ohne Vorsorgevollmacht handlungsunfähig, so bestehen zahlreiche Risiken, darunter auch das Risiko der Führungslosigkeit des Unternehmens, wenn es im schlimmsten Fall keine Person gibt, die das Unternehmen wirksam vertreten kann. Es kann dann zunächst zu einem kompletten Stillstand kommen, bei dem beispielsweise Gehälter nicht mehr ausgezahlt,
Gesellschafterbeschlüsse nicht mehr gefasst und Verträge nicht mehr geschlossen werden können. Ein Unternehmer ist handlungsunfähig im rechtlichen Sinne, wenn er geschäftsunfähig ist. Grundsätzlich bestellt im Fall der Geschäftsunfähigkeit das Betreuungsgericht für den Geschäftsunfähigen einen geeigneten Betreuer. Spezielle Vorgaben für die Frage, wer für die
Betreuung von Unternehmern geeignet ist, fehlen jedoch. So muss der Betreuer beispielsweise nicht verpflichtend betriebswirtschaftliche Kenntnisse aufweisen.

Was sind die Nachteile einer rechtlichen Betreuung?
Der Unternehmer kann im Falle der rechtlichen Betreuung weder die Person des Betreuers noch den Umfang der Vollmacht frei wählen. Auch können Entscheidungsprozesse lang sein. So bedürfen bestimmte Geschäfte zusätzlich zu der Entscheidung des Betreuers noch der Zustimmung des Betreuungsgerichts.

Kann eine Vorsorgevollmacht Abhilfe schaffen?
Mit einer Vorsorgevollmacht kann der Unternehmer vorsorglich – das heißt im Vorhinein – einen Vertreter bestellen. Die Vorsorgevollmacht verhindert regelmäßig das gerichtliche Betreuungsverfahren. Mit anderen Worten: Existiert eine Vorsorgevollmacht, bestellt das Betreuungsgericht grundsätzlich keinen Betreuer.

Was genau ist eine Vorsorgevollmacht des Unternehmers?
In einer Vorsorgevollmacht des Unternehmers bevollmächtigt der Unternehmer einen Dritten für den Fall seines plötzlichen längerfristigen Ausfalls mit Befugnissen betreffend das Unternehmen. Sinn und Zweck der Vorsorgevollmacht für Unternehmer ist die Fortführung und gegebenenfalls auch die Abwicklung des Unternehmens im Falle des andauernden Ausfalls des Unternehmers.

Wie unterscheidet sich die Vorsorgevollmacht des Unternehmers von einer regulären Vorsorgevollmacht?
Die Vorsorgevollmacht des Unternehmers ist ein Unterfall der regulären Vorsorgevollmacht, im Vergleich zu dieser jedoch spezieller, da sie auch die besonderen Interessen des Unternehmers und des Unternehmens berücksichtigt. Die reguläre Vorsorgevollmacht zielt vornehmlich auf die Interessen von Privatleuten ab. Beide Vollmachten können jedoch kombiniert werden, indem der Unternehmer in einer Vollmacht sowohl die Bevollmächtigung im privaten Bereich als auch die Bevollmächtigung im unternehmerischen Bereich (als Teil der so genannten Vermögenssorge) bestimmt.

Was ist der Inhalt einer Vorsorgevollmacht für Unternehmer?
Der Inhalt einer Vorsorgevollmacht für Unternehmer richtet sich nach dem Einzelfall und ist auf diesen speziell anzupassen. Auf der rechtlichen Ebene kommt es auf die Rechtsform des Unternehmens und die rechtliche Stellung des Unternehmers an. Zudem gibt es verschiedene Typen vonVollmachten, wie unter anderem die Generalvollmacht, die Handlungsvollmacht,
die Prokura und die Organvertretung. Im Einzelfall ist zu prüfen, welcher Vollmachttyp für den Vorsorgefall am geeignetsten erscheint. Nach dem gewählten Vollmachttyp richtet sich dann der Umfang der Befugnisse des Bevollmächtigten. Oftmals ist die Generalvollmacht aufgrund ihrer weitreichenden Befugnisse der für die Vorsorge gewählte Vollmachttyp.

Auf der faktischen Ebene muss der Unternehmer eine Prognoseentscheidung treffen und sich fragen, welche Entscheidungen im Fall seiner plötzlichen Handlungsunfähigkeit anfallen könnten, die im Zweifel nicht aufschiebbar sind. Als Beispiel: Im Fall eines Allein- oder Mehrheitsgesellschafters einer GmbH ist für die Erstellung einer Generalvollacht zu prüfen, ob der Bevollmächtigte berechtigt sein soll, Entscheidungen zu folgenden Punkten zu treffen:

✔ Vornahme von Gesellschafterrechten, insbesondere zur Ausübung des Stimmrechts in der
Gesellschafterversammlung
✔ Gründung von Gesellschaften
✔ Erwerb und Veräußerung von Unternehmen/ Beteiligungen
✔ Umwandlungen
✔ Unternehmensverträge, etwa Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge
✔ Vornahme von Prozess- und Verfahrenshandlungen vor Gerichten, Behörden, Notaren und
sonstigen öffentlichen Stellen
✔ Entgegennahme der Post
✔ gegebenenfalls Öffnungsklausel für sonstige erforderliche Geschäfte

Im Grundsatz gilt für den Vorsorgefall: Der Bevollmächtigte sollte weitestmöglich berechtigt werden. Das bedeutet im Zweifel sollen mehr statt weniger Befugnisse in die Vorsorgevollmacht des Unternehmers aufgenommen werden. Dies gilt insbesondere für die Vornahme von Gesellschafterrechten, wie insbesondere die Stimmabgabe in Gesellschafterversammlungen. Die Vollmacht sollte zudem abgestimmt sein auf das gesamte Konzept der Vorsorge- und Nachfolgeplanung des Unternehmers.

Für welche Unternehmer eignet sich eine solche Vorsorgevollmacht?
Eine Vorsorgevollmacht für Unternehmer eignet sich für Unternehmer, die entscheidungsprägend die Führung eines Unternehmens beeinflussen. Das können insbesondere geschäftsführende Alleingesellschafter einer GmbH sein, Mehrheitsgesellschafter einer GmbH, Gesellschafter von Personengesellschaften oder auch Freiberufler. Die Vorsorgevollmacht ist damit vor allem relevant für den Mittelstand.

Was sind die Grenzen einer Vorsorgevollmacht für Unternehmer?
Im Bereich der Kapitalgesellschaften (GmbH, AG u.a.) sind Vollmachten unzulässig, durch die der Bevollmächtigte wie ein Organvertreter handeln dürfte. So kann beispielsweise ein GmbH-Geschäftsführer seine Vertretungsmacht nicht im Ganzen durch einen Dritten ausüben lassen.
Denn die umfassende Übertragung einer organschaftlichen Vertretungsmacht ist verboten. Dieses Verbot schützt die Gesellschafter vor einer Ausübung der Geschäftsführungsbefugnisse durch Dritte, welche nicht das Vertrauen der Gesellschafter haben.

Im Bereich der Personengesellschaften (OHG, GbR u.a.) dürfen nicht sämtliche Gesellschafter von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen werden (Prinzip der Selbstorganschaft). Auch die Satzung eines Unternehmens kann der Bevollmächtigung Grenzen setzen. Dies ist insbesondere bei Stimmrechtsvollmachten zu beachten. So können Satzungen vorsehen, dass nur bestimmte Personen – z.B. nur Gesellschafter oder nur zur Verschwiegenheit verpflichtete Berufsgruppen, wie Rechtsanwälte und Steuerberater – zur Vertretung befugt sind.

Wer kann bevollmächtigt werden?
Aufgrund der regelmäßig weitreichenden Befugnisse und der damit zusammenhängenden Missbrauchsgefahr sollte ein großes Vertrauensverhältnis zwischen dem vollmachtgebenden Unternehmer und dem Bevollmächtigten bestehen. Die Sachkunde des Bevollmächtigten und die Kenntnis des betreffenden Unternehmens sind weitere wichtige Auswahlkriterien. Es können – bei einer kombinierten regulären und Unternehmer-Vorsorgevollmacht – auch mehrere Personen bevollmächtigt werden, beispielsweise eine Person für den privaten Bereich und eine Person für den unternehmerischen Bereich der Vollmacht.

Was ist weiter zu beachten?
Es ist ratsam, die Vorsorgevollmacht des Unternehmers im Innenverhältnis – das heißt in dem Verhältnis zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten – um eine Handlungsanweisung zu ergänzen. Eine Handlungsanweisung legt fest, was aus dem Unternehmen werden soll, wenn der Unternehmer ausfällt. Die Handlungsanweisung dient in diesem Fall dem Bevollmächtigten wie eine Richtschnur. In der Handlungsanweisung kann der Unternehmer beispielsweise vorgeben, dass eine Personengesellschaft in eine haftungsbeschränkte Kapitalgesellschaft umgewandelt werden soll, um das Privatvermögen des Vollmachtgebers zu schützen oder dass der Bevollmächtigte bei bestimmten Geschäften vorherigen steuerlichen oder rechtlichen Rat einzuholen hat. Je nach Einzelfall kann dem Bevollmächtigten auch aufgegeben werden, eine Veräußerung oder Liquidation des Unternehmens in Erwägung zu ziehen.

Zusammengefasst …
… sollten Unternehmer prüfen, ob sie für den plötzlichen Fall ihrer Handlungsunfähigkeit ausreichende Vorsorge getroffen haben. Sollte dies nicht der Fall sein, kann eine Vorsorgevollmacht für Unternehmer oftmals Abhilfe schaffen.

Christina Herbrand ist Rechtsanwältin und Notarin in Bocholt und Inhaberin der KANZLEI HERBRAND. Über die MÜ12 Verlag GmbH erscheint ihre Kolumne Law & Lipstick. Hier schreibt sie regelmäßig über aktuelle
wirtschaftsrechtliche Themen.

Christina Herbrand, LL.M. (Stellenbosch)
Rechtsanwältin und Notarin
Fachanwältin für Handels-
und Gesellschaftsrecht
Hemdener Weg 25, 46399 Bocholt
info@kanzlei-herbrand.de
www.kanzlei-herbrand.de

GmbH aktuell: Die Online-Gründung

Worum geht’s?
… um eine bedeutende Entwicklung im Gesellschaftsrecht: Die Digitalisierung der Gesellschaftsgründung. Künftig können GmbHs online gegründet werden, das heißt ohne Präsenzpflicht beim Notar.

Was steckt dahinter?
Europarecht bzw. die Erleichterung der Niederlassungsfreiheit. Konkret geht es um die Umsetzung der europäischen Digitalisierungsrichtlinie RL 2019/1151/EU in das deutsche Recht. Das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) tritt zum 01. August 2022 in Kraft.

Was bedeutet online GmbH-Gründung genau?
Die Gründung einer GmbH bedarf der notariellen Beurkundung. Bislang ist dafür die Präsenz der Gründer oder deren Vertreter beim Notar verpflichtend. Ab August 2022 ist unter bestimmten
Voraussetzungen eine Beurkundung mittels Videokommunikation – also ohne Präsenz beim Notar – möglich.

Und was bedeutet Videokommunikation in diesem Fall genau?
Die Videokommunikation wird über das so genannte Gründer-Portal der Bundesnotarkammer erfolgen. Das Gründer-Portal ist ein von der Bundesnotarkammer betriebenes Videokommunikationssystem. Dieses erfüllt höchste Anforderungen an Datensicherheit und Qualität. Das Gründer-Portal ermöglicht den Notaren die Vornahme von bestimmten Urkundstätigkeiten mittels Videokommunikation. An der Beurkundung der GmbH-Gründung durch einen Notar ändert sich also nichts. Diese wird lediglich digitalisiert. Die notarielle Beratung fällt durch die Online-Gründung also nicht weg. Eine „Offline-Gründung“ in Präsenz beim Notar ist nach wie vor möglich. Nicht möglich ist die Online-Gründung über andere Portale wie etwa Microsoft-Teams, Webex oder Zoom. Diese privaten Plattformen sind für die Online-Gründung nicht zugelassen.

Was braucht man für eine solche Online-Gründung?
Es wird lediglich ein PC oder ein Tablet mit Webcam, Mikrofon und Internetverbindung sowie ein Smartphone mit NFC-Technologie benötigt. Weitere zusätzliche Hard- oder Software braucht man nicht.

Ferner benötigt man einen elektronischen Identitätsnachweis. Ausreichend dafür sind u.a. der deutsche Personalausweis. Für die online-Beurkundung muss die eID-Funktion freigeschaltet und der Ausweis-PIN zur Hand sein. Falls das Ausstellungsdatum des Personalausweises vor August 2021 liegt, wird zum Auslesen des Passfotos ergänzend noch der Reisepass benötigt.

Wie genau läuft eine Online-Gründung ab?
Der Notar verliest die Urkunde zur Gründung der GmbH. Dabei handelt es sich um die so genannte Mantelurkunde inklusive der Satzung. Über diese Verhandlung nimmt der Notar eine elektronische Niederschrift auf, welche dann von den Beteiligten mittels qualifizierter elektronischer Signatur signiert wird. Dies ist über das Videokommunikationssystem möglich.
Ein Lesegerät ist nicht erforderlich. Die Fernsignatur erfolgt über eine App der Bundesnotarkammer, welche die Beteiligten vor der Beurkundung durch das Scannen eines Barcodes und durch das Klicken auf einen Link öffnen können. Konkret stellt das Rechenzentrum der Bundesnotarkammer eine Fernsignatur her, welche dann von den Beteiligten freigegeben wird. Die Freigabe erfolgt per TAN. Die TAN wird den Beteiligten im Rahmen des Signaturvorgangs auf ihr Handy geschickt. Diese Fernsignatur wird dann im Rechenzentrum der Bundesnotarkammer der Urkunde beigefügt.

Welcher Notar bietet die Online-Gründung künftig an?
Alle Notare werden die Online-Gründung anbieten. Doch muss der gewählte Notar auch zuständig sein. Hintergrund ist das sogenannte notarielle Amtsbereichsprinzip. Zuständig für Online-Gründungen sind Notare mit Amtssitz am Sitz der Gesellschaft oder mit Amtssitz am (Wohn)Sitz eines Geschäftsführers oder Gesellschafters. Über eine Suchmaske im Günder-Portal kann der zuständige Notar ausgewählt werden.
Wichtig zu wissen ist, dass der Notar die Beurkundung ablehnen muss, wenn er die Erfüllung seiner Pflichten im Rahmen der Beurkundung via Videokommunikation nicht gewährleisten kann. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der Notar sich keine Gewissheit über die Person eines Beteiligten verschaffen kann, weil das Passbild und die äußere Erscheinung der Person nicht übereinstimmen. Daher ist es ratsam, Passbilder aktualisiert zu halten.

Können künftig noch weitere notarielle Beurkundungen online stattfinden?
Durch das neue Gesetz können GmbHs online gegründet werden.Neu geschaffenwerden auch die Online-Anmeldung zum Handelsregister, Partnerschaftsregister und Genossenschaftsregister. Bislang ist für diese Registeranmeldungen noch der Gang zum Notar erforderlich. Denn Registeranmeldungen bedürfen der öffentlich beglaubigten Form. Jetzt kann die Beglaubigung in dem beschriebenen Online-Verfahren erfolgen. Das bedeutet, dass z.B. GmbH- Handelsregisteranmeldungen, wie die Anmeldung von Geschäftsführewechseln, sowie Handelsregisteranmeldungen von Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften, OHG und Einzelkaufleuten künftig vollständig online vorgenommen werden können. Der Notar beglaubigt dann die qualifizierte elektronische Signatur – wie aufgezeigt – mittels Videokommunikation.

Was geht noch nicht online?
Die Online-Beurkundung ist auf das Gesellschaftsrecht und bestimmte Registeranmeldungen beschränkt. Im Gesellschaftsrecht ist wie aufgezeigt nur die GmbH- Gründung online möglich. Andere Beurkundungen, wie beispielsweise die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen oder Beurkundungen in anderen Rechtsgebieten, wie beispielsweise dem Immobilien- oder Erbrecht, ermöglicht das neue Gesetz nicht.

Ist die Online-Gründung teurer als die herkömmliche Gründung?
Die Mehrkosten betragen 25,00 Euro für das Beurkundungsverfahrens mittels Videokommunikationssystem der Bundesnotarkammer. Die Mehrkosten einer Beglaubigung einer qualifizierten elektronischen Signatur betragen 8,00 Euro, wobei die Pauschale bei mehreren Beglaubigungen in einem Vermerk nur einmal anfällt.

Ab wann konkret wird die Online-Gründung angeboten?
GmbHs können ab dem 01. August 2022 online gegründet werden. Dasselbe gilt für Online-Handelsregisteranmeldungen.

Zusammengefasst …
… soll die GmbH-Gründung erleichtert und digitalisiert werden. Insbesondere der Zeit- und Verwaltungsaufwand soll reduziert werden. Ein großer und innovativer Schritt im Gesellschafts- und Beurkundungsrecht.

Christina Herbrand ist Rechtsanwältin
und Notarin in Bocholt und Inhaberin der KANZLEI HERBRAND. Über die MÜ12
Verlag GmbH erscheint ihre Kolumne LAW & Lipstick. Hier schreibt sie regelmäßig über aktuelle wirtschaftsrechtliche Themen.

„Innovation distinguishes between a leader and a follower“

Steve Jobs

Christina Herbrand, LL.M. (Stellenbosch)
Rechtsanwältin und Notarin