Die Vorsorgevollmacht des Unternehmers

Worum geht es bei einer Vorsorgevollmacht des Unternehmers?
Bei der Vorsorgevollmacht des Unternehmers geht es um unternehmerisches Risikomanagement. Die Vorsorgevollmacht des Unternehmers soll die Handlungsfähigkeit eines Unternehmens für den Fall der Handlungsunfähigkeit des Unternehmers sicherstellen.

Wann ist ein Unternehmer handlungsunfähig?
Hier geht es vor allem um Fälle wie plötzliche Krankheit, Unfall oder Demenz. Angenommen ein Einzelunternehmer erleidet einen Verkehrsunfall und fällt ins Koma: Wer trifft nun Unternehmensentscheidungen? Diese beginnen bei den Entscheidungen des Tagesgeschäfts,
betreffen die Frage, wer für den Unternehmer in der Gesellschafterversammlung abstimmt und enden mit der Frage, was aus dem Unternehmen werden soll, falls mit einer Rückkehr des Unternehmers nicht mehr zu rechnen ist.

Was passiert im Krisenfall ohne Vorsorgevollmacht?
Wird ein Unternehmer ohne Vorsorgevollmacht handlungsunfähig, so bestehen zahlreiche Risiken, darunter auch das Risiko der Führungslosigkeit des Unternehmens, wenn es im schlimmsten Fall keine Person gibt, die das Unternehmen wirksam vertreten kann. Es kann dann zunächst zu einem kompletten Stillstand kommen, bei dem beispielsweise Gehälter nicht mehr ausgezahlt,
Gesellschafterbeschlüsse nicht mehr gefasst und Verträge nicht mehr geschlossen werden können. Ein Unternehmer ist handlungsunfähig im rechtlichen Sinne, wenn er geschäftsunfähig ist. Grundsätzlich bestellt im Fall der Geschäftsunfähigkeit das Betreuungsgericht für den Geschäftsunfähigen einen geeigneten Betreuer. Spezielle Vorgaben für die Frage, wer für die
Betreuung von Unternehmern geeignet ist, fehlen jedoch. So muss der Betreuer beispielsweise nicht verpflichtend betriebswirtschaftliche Kenntnisse aufweisen.

Was sind die Nachteile einer rechtlichen Betreuung?
Der Unternehmer kann im Falle der rechtlichen Betreuung weder die Person des Betreuers noch den Umfang der Vollmacht frei wählen. Auch können Entscheidungsprozesse lang sein. So bedürfen bestimmte Geschäfte zusätzlich zu der Entscheidung des Betreuers noch der Zustimmung des Betreuungsgerichts.

Kann eine Vorsorgevollmacht Abhilfe schaffen?
Mit einer Vorsorgevollmacht kann der Unternehmer vorsorglich – das heißt im Vorhinein – einen Vertreter bestellen. Die Vorsorgevollmacht verhindert regelmäßig das gerichtliche Betreuungsverfahren. Mit anderen Worten: Existiert eine Vorsorgevollmacht, bestellt das Betreuungsgericht grundsätzlich keinen Betreuer.

Was genau ist eine Vorsorgevollmacht des Unternehmers?
In einer Vorsorgevollmacht des Unternehmers bevollmächtigt der Unternehmer einen Dritten für den Fall seines plötzlichen längerfristigen Ausfalls mit Befugnissen betreffend das Unternehmen. Sinn und Zweck der Vorsorgevollmacht für Unternehmer ist die Fortführung und gegebenenfalls auch die Abwicklung des Unternehmens im Falle des andauernden Ausfalls des Unternehmers.

Wie unterscheidet sich die Vorsorgevollmacht des Unternehmers von einer regulären Vorsorgevollmacht?
Die Vorsorgevollmacht des Unternehmers ist ein Unterfall der regulären Vorsorgevollmacht, im Vergleich zu dieser jedoch spezieller, da sie auch die besonderen Interessen des Unternehmers und des Unternehmens berücksichtigt. Die reguläre Vorsorgevollmacht zielt vornehmlich auf die Interessen von Privatleuten ab. Beide Vollmachten können jedoch kombiniert werden, indem der Unternehmer in einer Vollmacht sowohl die Bevollmächtigung im privaten Bereich als auch die Bevollmächtigung im unternehmerischen Bereich (als Teil der so genannten Vermögenssorge) bestimmt.

Was ist der Inhalt einer Vorsorgevollmacht für Unternehmer?
Der Inhalt einer Vorsorgevollmacht für Unternehmer richtet sich nach dem Einzelfall und ist auf diesen speziell anzupassen. Auf der rechtlichen Ebene kommt es auf die Rechtsform des Unternehmens und die rechtliche Stellung des Unternehmers an. Zudem gibt es verschiedene Typen vonVollmachten, wie unter anderem die Generalvollmacht, die Handlungsvollmacht,
die Prokura und die Organvertretung. Im Einzelfall ist zu prüfen, welcher Vollmachttyp für den Vorsorgefall am geeignetsten erscheint. Nach dem gewählten Vollmachttyp richtet sich dann der Umfang der Befugnisse des Bevollmächtigten. Oftmals ist die Generalvollmacht aufgrund ihrer weitreichenden Befugnisse der für die Vorsorge gewählte Vollmachttyp.

Auf der faktischen Ebene muss der Unternehmer eine Prognoseentscheidung treffen und sich fragen, welche Entscheidungen im Fall seiner plötzlichen Handlungsunfähigkeit anfallen könnten, die im Zweifel nicht aufschiebbar sind. Als Beispiel: Im Fall eines Allein- oder Mehrheitsgesellschafters einer GmbH ist für die Erstellung einer Generalvollacht zu prüfen, ob der Bevollmächtigte berechtigt sein soll, Entscheidungen zu folgenden Punkten zu treffen:

✔ Vornahme von Gesellschafterrechten, insbesondere zur Ausübung des Stimmrechts in der
Gesellschafterversammlung
✔ Gründung von Gesellschaften
✔ Erwerb und Veräußerung von Unternehmen/ Beteiligungen
✔ Umwandlungen
✔ Unternehmensverträge, etwa Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge
✔ Vornahme von Prozess- und Verfahrenshandlungen vor Gerichten, Behörden, Notaren und
sonstigen öffentlichen Stellen
✔ Entgegennahme der Post
✔ gegebenenfalls Öffnungsklausel für sonstige erforderliche Geschäfte

Im Grundsatz gilt für den Vorsorgefall: Der Bevollmächtigte sollte weitestmöglich berechtigt werden. Das bedeutet im Zweifel sollen mehr statt weniger Befugnisse in die Vorsorgevollmacht des Unternehmers aufgenommen werden. Dies gilt insbesondere für die Vornahme von Gesellschafterrechten, wie insbesondere die Stimmabgabe in Gesellschafterversammlungen. Die Vollmacht sollte zudem abgestimmt sein auf das gesamte Konzept der Vorsorge- und Nachfolgeplanung des Unternehmers.

Für welche Unternehmer eignet sich eine solche Vorsorgevollmacht?
Eine Vorsorgevollmacht für Unternehmer eignet sich für Unternehmer, die entscheidungsprägend die Führung eines Unternehmens beeinflussen. Das können insbesondere geschäftsführende Alleingesellschafter einer GmbH sein, Mehrheitsgesellschafter einer GmbH, Gesellschafter von Personengesellschaften oder auch Freiberufler. Die Vorsorgevollmacht ist damit vor allem relevant für den Mittelstand.

Was sind die Grenzen einer Vorsorgevollmacht für Unternehmer?
Im Bereich der Kapitalgesellschaften (GmbH, AG u.a.) sind Vollmachten unzulässig, durch die der Bevollmächtigte wie ein Organvertreter handeln dürfte. So kann beispielsweise ein GmbH-Geschäftsführer seine Vertretungsmacht nicht im Ganzen durch einen Dritten ausüben lassen.
Denn die umfassende Übertragung einer organschaftlichen Vertretungsmacht ist verboten. Dieses Verbot schützt die Gesellschafter vor einer Ausübung der Geschäftsführungsbefugnisse durch Dritte, welche nicht das Vertrauen der Gesellschafter haben.

Im Bereich der Personengesellschaften (OHG, GbR u.a.) dürfen nicht sämtliche Gesellschafter von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen werden (Prinzip der Selbstorganschaft). Auch die Satzung eines Unternehmens kann der Bevollmächtigung Grenzen setzen. Dies ist insbesondere bei Stimmrechtsvollmachten zu beachten. So können Satzungen vorsehen, dass nur bestimmte Personen – z.B. nur Gesellschafter oder nur zur Verschwiegenheit verpflichtete Berufsgruppen, wie Rechtsanwälte und Steuerberater – zur Vertretung befugt sind.

Wer kann bevollmächtigt werden?
Aufgrund der regelmäßig weitreichenden Befugnisse und der damit zusammenhängenden Missbrauchsgefahr sollte ein großes Vertrauensverhältnis zwischen dem vollmachtgebenden Unternehmer und dem Bevollmächtigten bestehen. Die Sachkunde des Bevollmächtigten und die Kenntnis des betreffenden Unternehmens sind weitere wichtige Auswahlkriterien. Es können – bei einer kombinierten regulären und Unternehmer-Vorsorgevollmacht – auch mehrere Personen bevollmächtigt werden, beispielsweise eine Person für den privaten Bereich und eine Person für den unternehmerischen Bereich der Vollmacht.

Was ist weiter zu beachten?
Es ist ratsam, die Vorsorgevollmacht des Unternehmers im Innenverhältnis – das heißt in dem Verhältnis zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten – um eine Handlungsanweisung zu ergänzen. Eine Handlungsanweisung legt fest, was aus dem Unternehmen werden soll, wenn der Unternehmer ausfällt. Die Handlungsanweisung dient in diesem Fall dem Bevollmächtigten wie eine Richtschnur. In der Handlungsanweisung kann der Unternehmer beispielsweise vorgeben, dass eine Personengesellschaft in eine haftungsbeschränkte Kapitalgesellschaft umgewandelt werden soll, um das Privatvermögen des Vollmachtgebers zu schützen oder dass der Bevollmächtigte bei bestimmten Geschäften vorherigen steuerlichen oder rechtlichen Rat einzuholen hat. Je nach Einzelfall kann dem Bevollmächtigten auch aufgegeben werden, eine Veräußerung oder Liquidation des Unternehmens in Erwägung zu ziehen.

Zusammengefasst …
… sollten Unternehmer prüfen, ob sie für den plötzlichen Fall ihrer Handlungsunfähigkeit ausreichende Vorsorge getroffen haben. Sollte dies nicht der Fall sein, kann eine Vorsorgevollmacht für Unternehmer oftmals Abhilfe schaffen.

Christina Herbrand ist Rechtsanwältin und Notarin in Bocholt und Inhaberin der KANZLEI HERBRAND. Über die MÜ12 Verlag GmbH erscheint ihre Kolumne Law & Lipstick. Hier schreibt sie regelmäßig über aktuelle
wirtschaftsrechtliche Themen.

Christina Herbrand, LL.M. (Stellenbosch)
Rechtsanwältin und Notarin
Fachanwältin für Handels-
und Gesellschaftsrecht
Hemdener Weg 25, 46399 Bocholt
info@kanzlei-herbrand.de
www.kanzlei-herbrand.de